Die verkleidete Soldatin und das Stubenmädchen

Die verkleidete Soldatin und das Stubenmädchen

Devoney Ellis


Abstract

This creative piece is a queer rewriting of the scene “Der Soldat und das Stubenmädchen” from Arthur Schnitzler’s play Reigen (1900). In this version, the soldier is a woman in men’s clothing, a nod to the history of women dressing and living like men to access male-dominated jobs. This rewriting of the scene also reimagines the ambiguous consent in the original scene, and presents both characters as instigators.  


Im Tanzsaal machten eine verkleidete Soldatin und ein Stubenmädchen Augenkontakt gegenüber dem Zimmer. Da war ein Glitzern in ihren Augen als das Stubenmädchen die verkleidete Soldatin anlächelte und zu der Tür nickte. Sie folgte ihr in den Wald hinter dem Tanzsaal. 

Stubenmädchen: Warum hast du nicht wie die anderen Soldaten mit den Mädchen getanzt?

Soldatin: (achselzuckend) Wenn ich mit ihnen getanzt hätte, würde ich jetzt nicht mit dir sein.

Stubenmädchen: Ach so! Du schmeichelst mir. Wie heißt du?

Soldatin: Henry. Und du?

Stubenmädchen: Nein, dein echter Name.

Soldatin: (mit großen Augen) Ich habe keine Ahnung, was du meinst. 

Stubenmädchen: Wirklich? Schade, ich mag Soldatinnen nicht Soldaten.

Soldatin: (mit einem teuflischen Grinsen) Ist das so?

Stubenmädchen: Glaubst du mir nicht?

Soldatin: Die Zeit wird es zeigen.

Stubenmädchen: (sie schritt zu ihr und schaute ihr in die Augen) Ist eine Nacht genug?

Soldatin: Ich habe das Gefühl, dass eine Nacht mit dir bewirken könnte, dass ich alles glaube.

Stubenmädchen: Du sagst das wahrscheinlich zu allen Mädchen.

Soldatin: Vielleicht, aber heute Abend schaue ich nur dich an. (sie griff die Hüften des Stubenmädchens und zog sie nah an sich)

Stubenmädchen: (sie schaute sich mit einem ängstlichen Gesichtsausdruck im Wald um) Denkst du, dass wir erwischt werden?

Soldatin: Unter dem Umhang der Dunkelheit? Nein, nur die Sterne werden uns sehen. Außerdem, ist das nicht warum du mich hierhin gelockt hast?

Stubenmädchen: Na schön, vom ersten Moment an wollte ich dich. (sie griff das Kinn von der Soldatin und zog sie näher, bis ihre Lippen sich trafen)

Soldatin: (drückt das Stubenmädchen gegen einen Baum)


Stubenmädchen: (atemlos) Ich kann nicht mehr stehen!

Soldatin: (lacht gegen ihren Hals) Dann werden wir uns auf das Gras hinlegen.

Stubenmädchen: Gute Idee…du zuerst.

Soldatin: Was auch immer du willst. (legt sich auf das Gras hin und zieht sie auf ihren Schoß).


Stubenmädchen: (seufzt) Ich will, dass diese Nacht nicht zu Ende geht.  

Soldatin: Ich auch mein Schatz, aber die Sonne wird wieder aufgehen. Unsere Liebe kann nur unter den Sternen existieren.

Stubenmädchen: Unsere Liebe?

Soldatin: Natürlich, wie würdest du diesen Augenblick sonst nennen?

Stubenmädchen: Meine Lieblingsfantasie. (kuschelt sich nähere an die Soldatin)

Soldatin: (lacht weich) Das ist nur ein anderes Wort für Liebe. Hab‘ ich dich nicht von meiner Liebe überzeugt?

Stubenmädchen: Vielleicht brauche ich mehr Überzeugung…

Soldatin: Ist das so? Mit Vergnügen.


Als die Morgendämmerung kam.  

Stubenmädchen: Wenn ich nur diese Nacht mit dir habe, kann ich deinen Namen für meine Erinnerung an dich haben?

Soldatin: Wirst du oft an mich denken?

Stubenmädchen: Diese Nacht wird bis an das Ende der Zeit in meinen Träumen sein. Jede Nacht wirst du in meinen Gedanken sein.

Soldatin: Wie kann ich das bestreiten? Ich heiße Henriette.

Stubenmädchen: Mein Name ist Katharina, aber sie nennen mich Kat.

Soldatin: In meinen Träumen wirst du mein Schatz, eine Erinnerung von einer Nacht sein, in der die Götter mich gesegnet haben.

Stubenmädchen: Wo sind die Götter? Wir können nur in dunklen Gassen und an geheimen Treffpunkten existieren. Wie ist das ein Leben?

Soldatin: Mein Schatz, ich habe für eine lange Zeit in den Käfigen der Gesellschaft gelebt. Die Götter haben keine Kraft an diesen Orten, aber wir können ihre Kraft hier sehen, unter dem Himmel.

Stubenmädchen: Ist da keine Zukunft für eine Liebe wie unsere?

Soldatin: Ich weiß nur, was ich gesehen habe. Frauen wie uns wird kein glückliches Ende gegeben. 

Stubenmädchen: Schon, ihr Gott sagt, dass wir Sünderinnen sind. Wenn Glück eine Sünde ist, will ich jeden Tag sündigen.

Soldatin: Anderen werden für weniger ermordet.

Stubenmädchen: Ist das der Grund, warum du jetzt eine Soldatin bist?

Soldatin: Ich glaube…an ein glückliches Ende, nicht an ein langes...und was ist ein Leben ohne Hoffnung?

Stubenmädchen: Ich will noch hoffen!

Soldatin: (wiegt das Kinn der Stubenmädchen mit beiden Händen und starrt tief in ihre Augen) Ich wünschte das wäre genug, aber die Hoffnung ist kein Schutz…Katharina, sie würden uns eher tot sehen als mit Hoffnung auf eine Zukunft. Die Nacht ist unsere Kirche, in der wir existieren können. Die Göttinnen regieren die Nacht, sie haben uns diesen Augenblick gegeben, aber der Tag ist von Männern regiert. Verstehst du?

Stubenmädchen: Ich verstehe…es ist Zeit für uns zu gehen. Vielleicht werde ich dich wieder in einem anderen Leben sehen.

Soldatin: Ich hoffe darauf.

Und sie gingen separate Wegen, mit zerrauften Kleidern, schläfrigen Augen, und einem traurigen wissenenden Lächeln. Liebes Publikum, glaubt ihr, dass dies das Ende ihrer Geschichte ist? Ein Jahr später…


Reflection for Creative Piece

I chose to rewrite the scene “Der Soldat und das Stubenmädchen,” because I wanted to write what I felt was missing in a play exploring sexual deviance in Austrian society. Reigen was all about non-monogamous heterosexual activities and, well, are we not all tired of reading that yet? Queer folks existed; their history has been plastered over by homophobic historians for generations, but they existed. The unfortunate reality is that many of these histories are limited to court records from when they were caught and punished by society. In my version the soldier is a woman in men’s clothes, a nod to the history of women dressing and living like men to access male dominated jobs like the military.[1] The maid knows the soldier’s secret in my version because I wanted to retell a part of queer history as something a little less traumatic than what is represented in court documents. These documents reveal that in female sodomy cases, feminine presenting women would defend themselves by claiming to have been victims of “gender hoaxes” and that they thought their partner was a man.[2] This resulted in masculine presenting women receiving harsher punishment for their “crimes.” The original scene’s grey area of consent also made me uncomfortable, so I made them both instigators, which not only rewrites the way heterosexual intimacy was written in Reigen, but also undermines stereotypes of masculine presenting lesbians as being aggressors. Reflecting on sexual deviance in society, maybe instead of Schnitzler’s bitter representation (that appears to be assuming he has a moral high ground) so-called unconventional relations can be written as the fun, flirty (and sometimes cringy and cheesy) moments of pleasure they are. 


[1] Rudolph M. Dekker and Lotte C. van de Pol, The Tradition of Female Transvestitism in Early Modern Europe, (London: Macmillan, 1989) and Angele Steidele, In Männerkleidern, (Insel Verlag, 2021).

[2] Brigitte Eriksson, “A Lesbian Execution in Germany, 1721: The Trial Records,” Journal of Homosexuality, 6, no. 1-2 (1981): 27-40, and Helmut Puff, “Female Sodomy: The Trial of Katherina Hetzeldorfer (1477),” The Journal of Medieval and Renaissance Studies, vol. 30, no. 1, 2000, pp41-62.


Devoney Ellis is an undergraduate student at Memorial University.


Picture: “Tribade Sister” drawing from The Secret Confessions of a Parisian: The Countess, 1850-1871 by Arthur Berloget. Source: Wikimedia Commons. Public Domain.

 

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